Rede von Dr. Michael Euler-Schmidt am 29. März 2017 anlässlich der Vernissage IN DUBIO PRO ARTE.
„Rund 80 Gemälde und Skulpturen von Ulrich Dohmen, Hannes Helmke, Walter Raab und Peter Stock warten darauf von uns allen entdeckt zu werden. Jeder der Künstler hat seine ganz eigene Sprache, sein Temperament, seine Handschrift und sie sind mit dieser Stadt eng verbunden. Raab und Stock sind in Köln geboren, Helmke und Dohmen leben und arbeiten seit Jahren hier.
Ich werde ihnen nicht erzählen, was sie bereits wahrgenommen haben oder was sie unbedingt sehen sollten. Begreifen sie das Gesagte als Anmerkungen zum Umgang mit Kunst, eben als kleine Vorspeise. Warum? Eine Studie der Universität Friedrichshafen hat vor einigen Jahren festgestellt, elf Sekunden, drei Atemzüge lang, verbringt der durchschnittliche Betrachter vor einem Kunstwerk. Ein weiterer Punkt in der Studie räumt damit auf, dass die moderne Kunst so furchtbar voraussetzungsreich sei. Denn sie ist nicht so sehr Theorie beladene Kopfsache, nein, sie ist vor allem eine körperliche Erfahrung. Und diese hat ganz unbedingt mit fühlen, spüren und Emotionalität zu tun. So ist es eine ganz persönliche Beziehung, die wir zum Kunstwerk aufbauen sollten.
Nehmen wir Walter Raabs eigene Faszination zum Aquarell. Der Autodidakt fand in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu dieser diffizilen Technik. Der gebürtige Südstadtkölner fächert uns den Kölner Kosmos auf und sein sensibler Instinkt für Farbe lässt uns mit großen Gefühlen für diese Stadt innehalten. Raab steht damit ganz in der Tradition der Kölner Künstler, die Köln immer wieder dokumentiert haben und sie lieferten damit liebevolle oder auch kritische Zustandsberichte.
Der ehemalige Kölner Werkstudent Peter Stock – gelernter Architekt – sieht für sich in der surrealistischen Malerei vermeintliche Gegebenheiten, Eindeutigkeiten oder das Sichtbare, die greifbaren Dinge, die Möglichkeit der Unterwanderung. Der Surrealismus hat viel mit Seele und Seelenzuständen zu tun und mit Unaufmerksamkeitsblindheit, nach der der Mensch die offensichtlichsten Dinge übersehen kann. Insofern ist seine Bilderwelt durchaus als eine Melange zwischen flüchtigem Traum und/oder realer Wirklichkeit. Unbewusstes, Absurdes und Phantastisches: bei Stock befinden wir uns richtig übersetzt „über dem Realismus“.
Ulrich Dohmen, er studierte Freie Kunst und Malerei in Köln. Er will uns Betrachter unbedingt als Entdecker sehen, denn seine Bilder fordern heraus und sie brauchen deshalb umso mehr Aufmerksamkeit. Die Pinselführung hat aktionistische Züge, er ist zudem eilig-dynamisch, findet einen imaginären Schlusspunkt, ohne sich jedoch vordergründig festzulegen. Er widerspricht der Einfachheit und damit den dekorativen Elementen. Seine materialbezogene Oberflächenstruktur riecht nach Informell und eine Kollegin schrieb über sein Tun: „Er hat sich auf die Suche nach dem Zeichen ohne Inhalt begeben, was ihm gelingt durch die konsequente Reduktion der Formensprache.“ Der leider viel zu früh verstorbene Künstler Christoph Schlingensief hat einmal den Satz abgesondert:„Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgendetwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können!“ Ich mag diesen Schlingensief-Satz ungemein, denn er hat etwas zu tun mit Neugier, die man sich wachhalten sollte, er hat etwas zu tun mit nicht loslassen wollen und er suggeriert Lust an Kunst, die ganz subtil anmacht.
Hannes Helmke, der Bildhauer, ist seit 1998 als freischaffender Künstler in Köln beheimatet. Seine Skulpturen, seine Abbilder von Individuen, sind zunächst irritieren, dann spannend und kontrovers. Doch gerade seine reduzierte und doch übersteigerte Form des eher leptosomen als athletischen Körpers gibt der Gestik und Haltung einen unverwechselbaren Charakter. Mal in sich ruhend oder dynamisch, die eigentliche Körperhaltung bleibt die Konstante. Zwischen Lässigkeit oder im Nachdenken versunken und einfach hingehockt, ja, hier wird die körperliche Erfahrung spürbar und abbildhaft.
Ich bin gespannt, was diese Kunst mit ihnen anstellen wird. Nun sind diese vier Künstler mit ihren Werken, in diesem besonderen architektonischen Rahmen, Teil einer edlen Absicht. Eigentlich freut man sich nicht so wirklich auf das Ende einer Ausstellung. Aber anlässlich der Finissage am 10. Mai findet erfolgt dann nun mal die Versteigerung für den guten Zweck statt. Und, meine Damen und Herren, dann sind sie alle gefordert. Aber wählen sie mit Bedacht, denn Kunst ist nun mal keine Dekoration.
Das Benefiz-Konzept IN DUBIO PRO ARTE soll alle zwei Jahre stattfinden. Die beiden Initiatoren, Dr. Peter Thümmel und Peter Möltgen, wissen: Wenn etwas in Köln zwei Mal stattfindet, dann ist es Tradition. Das werden sie mit Sicherheit schaffen. Beide möchte ich aber an dieser Stelle daran erinnern, das Köln auch eine Vielzahl von wunderbaren Künstlerinnen beheimatet – der hier ausstellende Männerbund verzeiht mir natürlich diese Anmerkung.
Damit Sie nun aber endlich körperliche Lust mit der Kunst empfinden, entlasse ich sie gerne und mit Freude dem Genuss des Schauens. Denken sie daran: Kunst kann bewegen und daran gibt es keinen Zweifel!“